Interview: Thema Schokolade

Interview durch Frau Rebecca Schärli für ihre Matura-Arbeit

• Ist Schokolade ein Thema bei Ihren Beratungen?
Ja, wenn es um das Thema geht, was man an Süssigkeiten essen kann. Die meisten essen gerne Schokolade.

• Wieviel Schokolade darf ich essen?
Vata- und Pitta-Konstitutionen können etwas Schokolade essen, Kapha-Konstitutionen sollten eine Alternative wählen, aber eher weglassen. Ansonsten in Massen. Wenn jemand unbedingt Schokolade essen möchte, dann empfehle ich schwarze Schokolade, da sie weniger bis gar keine Milch enthält. Alternativen zu Milchschokolade sind Schokoladen aus Soja-, Reis-, Hafer- oder Mandelwasser. Allerdings sollte man auf Bioqualität achten, und schauen, dass das darin enthaltende Soja nicht genmanipuliert ist. Der Verzehr von Alternativ-Schokolade sollte dem Dosha-Typ angemessen sein. Milch und Zucker passen insofern nicht zusammen, da die Kombination die Shrotas (feine Körperkanäle des Körpers) durch Verschleimung verstopfen. Was wiederum dazu führt, dass die Aufnahme der Nahrungsmittel und die Abgabe der Abfallstoffe nicht adäquat ablaufen kann. Somit entstehen Stoffwechsel-Schlacken (Ama) im Gewebe.

• Verbieten Sie Ihren Klienten Süssigkeiten (nicht)?
Nein, ich verbiete nichts. Ich empfehle lediglich etwas. Wenn etwas schmeckt, kann das in manchen Situationen sogar als «Nahrung für die Seele» betrachtet werden. Dann ist die Person zufriedener, als wenn sie sich alles verbittet, was nicht gut für sie ist. Pauschal zu sagen, dass etwas ungesund ist, stimmt eben auch nicht. Es geht immer um das massvolle konsumieren. Industriezucker und andere künstliche Zusätze sollten gemieden werden. Im Ayurveda geht es u. a. auch darum, zu welchem Konstitutionstyp (Vata, Pitta, Kapha) etwas passt. Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Atmosphäre etwas gegessen wird. Wie die Nahrung zubereitet wird, welche Qualität sie hat usw. Es gibt auch genügend Schokoladen-Alternativen.

• Die WHO empfiehlt maximal 50 Gramm Zucker pro Tag. Finden Sie diese Empfehlungen sinnvoll?
Hier erlaube ich mir keine Antwort zu geben, da ich keine Ernährungswissenschaftlerin bin. Auch hier gibt es jede Menge Alternativen zu dem industriellen, weissen Zucker, der aus ayurvedischer Sicht nicht empfehlenswert ist. Die Alternativen sind Früchte, Trockenfrüchte oder süsses Gemüse. Es gibt Palmzucker, Dattelsirup, Ahornsirup, Agavensirup, Kokoszucker, Rohrohrzucker und sicherlich noch einige andere. Jedes empfohlene Nahrungsmittel ist im Ayurveda auf den Konstitutionstyp ausgerichtet.

• Wo sehen Sie Möglichkeiten, Süsses zu vermeiden?
Zunächst sollte Süsse definiert werden. Obst, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte usw. können süss sein. Die Geschmackskomponente süss sollte neben sauer, salzig, scharf, bitter und herb in jeder Mahlzeit vorkommen. Es geht auch hier wieder um das Mass und um die Beachtung des Konstitutionstyps (Vata, Pitta, Kapha). Welchen und wieviel Zucker ich einen Klienten empfehle, zeigt sich nach einem Anamnese-Gespräch. Die Ayurvedische Ernährungsberatung ist ganzheitlich und individuell orientiert. Im Ayurveda kann man nichts pauschal bestimmen. Das ist die Einzigartigkeit des Ayurveda und für mich daher so interessant und lebendig. Man sollte bei bestimmten Erkrankungen Süsses möglichst vermeiden oder stark reduzieren.

• Welche Zuckeralternativen finden Sie sinnvoll?
Palmzucker, Dattelsirup, Ahornsirup, Agavensirup, Kokoszucker, Rohrohrzucker. Obst (insbesondere gedünstetes), Früchte, Trockenfrüchte. Und konstitutionsbezogen.

• Haben Sie schon von Cacao-Saft als Süssungsmittel für Schokolade gehört? Lindt hat kürzlich eine solche Schokolade auf den Markt gebracht.
Nein. Da dürfen Sie mich gerne aufklären.

• Empfehlen Sie für eine gewisse Zeit ganz auf Zucker zu verzichten?
Bei bestimmten Erkrankungen, wie zB bei Pilzbefall von Haut und Schleimhäuten, bei Krebs, bei sehr starkem Karies, bei Zuckersucht. Aber der Körper benötigt auch Zucker als Energielieferant, besonders für das Gehirn.

• Viele neue Schokoladenprodukte sind mit solchen Alternativen gesüsst. Braucht es überhaupt eine «neue» bzw. «gesunde» Schokolade?
Grundsätzlich empfiehlt der Ayurveda frische, unbehandelte Nahrung. Schokolade ist ein behandeltes Produkt. Von daher ist eine gesunde Schokolade nur relativ gesund. Die alternativen oder neuen Schokoladen machen Sinn, da sie, wenn vegan, eben ohne Milch sind. Schwarze Schokolade hat aufgrund ihrer Inhaltsstoffe auch ihre gesundheitlichen Aspekte.

• Ist denn eine Schokolade ohne Haushaltszucker automatisch «gesund»?
Nein. Die Schokoladenbohne ist sehr bitter und wird fermentiert und mit vielen Chemikalien behandelt, um sie schmackhafter zu machen. Durch die Milchsäure-Gärung hat die Schokolade eine erhitzende und somit Pitta-erhöhende Wirkung. Also im Sommer eher nicht zu empfehlen. Zu berücksichtigen sind noch z. T. vorhandene Zusatzstoffe.

• Welche positiven Punkte sehen Sie bei herkömmlicher Schokolade?
Schokolade ist ein Genussmittel, was stimmungsaufhellend, anregend und beruhigend wirkt, bedingt durch das darin enthaltene Tryptophan, eine Vorstufe vom Serotonin und dem Theobromin, einen coffein-ähnlichen Wirkstoff. Zudem enthält dunkle Schokolade, also Bitterschokolade, (herzschützende) Antioxidantien. Somit hat Schokolade ganz klar positive Eigenschaften. Im Ayurveda wird süsse Schokolade Vata und Pitta zugeordnet und herb-bittere Kapha. Aber wie schon gesagt, in Massen.

• Birgt eine «gesunde» Schokolade auch Gefahren?
Wenn ein Produkt als gesund bezeichnet wird, könnte dies dazu verleiten, es in grossen Mengen zu konsumieren. Es könnte auch die Gefahr bestehen, dass Herkunft und Art der Herstellung von Schokolade und die Beigabe von Zusätzen nicht mehr hinterfragt wird.

• Wie sähe Ihre Traumschokolade aus?
Meine Traumschokolade wäre nur bedingt meine Traumschokolade. Aber wenn ich sie so benennen soll, dann eine, die biologisch und ohne künstliche Zusätze oder unnötige Zusätze ist. Ausserdem aus Demeter-Milch hergestellt wird und auf den Doshatyp (Vata, Pitta, Kapha) und seinem Verdauungsfeuer (Agni) und Gesundheitszustand abgestimmt ist. Gut wären Zusätze von Gewürzen, welche die Verdauung der Schokolade unterstützen. Etwas Salz, Kreuzkümmel, Chili usw. Und alternative Süssungsmittel. Diese gibt es m. E. sowieso schon. Aber wie gesagt, eine gesunde Schokolade gibt es wohl nicht.

• Wird die Vorliebe für süssen Geschmack eher angeboren oder erlernt?
Beides. Da kommen wir nun in ein ganz anderes Gebiet. Der Ayurveda spricht von einer Prakriti (angeborene Konstitution) und einer Vikriti (erworbene Konstitution). Die Prakriti ist alles, was wir von Geburt an mitbringen. Die Vikriti ist alles, was wir uns im Laufe des Lebens erwerben. Ist ein Mensch in der Prakriti Vata oder Pitta, benötigt er den süssen Geschmack, um ausgeglichen und gesund zu bleiben. Für Kapha- Konstitution ist der süsse Geschmack nicht förderlich und daher möglichst gering zu halten. Wenn ein Mensch für sich das Süsse zur Kompensation von irgendwelchen psychischen Mängeln entdeckt oder durch äussere Einflüsse erwirbt, kann auch dieser Mensch eine Vorliebe für Süsses entwickeln, was aber seiner Gesundheit schadet. Insofern ist die Vorliebe für Süsses angeboren und erworben. Eine angeborene Vorliebe für Süsses kann aber auch in eine erworbene Vorliebe für Süsse übergehen, wenn oben genannte Kriterien zutreffen. Insofern ist stets achtsamer Konsum von Süssem zu empfehlen.

• Stellen Sie eine Veränderung der Essgewohnheiten bezüglich Schokolade und Zucker fest?
Zum Teil. Menschen, die bewusst auf gesunde Nahrung achten, steigen schon eher mal auf vegane Schokolade oder auf ein alternatives Süssungsmittel um. Das ist natürlich auch Geschmackssache. Es gibt Menschen, die würden zum Beispiel schon gerne auf vegane Schokolade umsteigen, mögen aber den Geschmack nicht oder wollen nicht auf die positiven Eigenschaften von Schokolade verzichten.

• Der Zuckerkonsum hat in der letzten 120 Jahren und speziell in der neueren Zeit stark zugenommen, weil Zucker günstig und leicht verfügbar ist. Sollte man dieser Entwicklung entgegensteuern?
Grundsätzlich ist eine bewusste und gesunde Ernährung anzustreben. Der einzelne Mensch muss aber bereit und offen für Veränderung sein. Man kann die Menschen sensibilisieren, was auf verschiedenen Ebenen sowieso schon stattfindet. Sei es durch die Medizin, Alternativmedizin, Ernährungswissenschaften usw. Verweis auf die Zeitschrift Oliv Heft 6/21: Der Nationalrat stimmt mehrheitlich dem Text zur Initiative von Slow Food Schweiz «Jugend und Ernährung» zu. Vermittlung von Fachwissen an Schulen und Nachhaltigkeits-Ziele. Ausserdem führt die Schweiz eine Deklarationspflicht für die Herkunft von Brot und anderen Backwaren ein. Alternative Süssigkeiten und Süssungsmittel gibt es zu genüge.

• Einige CH-Unternehmen haben sich dazu verpflichtet, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu senken. Reicht das oder sind die Schritte zu klein?
Das ist doch ein guter Ansatz, wobei sehr wahrscheinlich immer noch zu viel Zucker in den Produkten enthalten ist. Kommt auch auf die Zuckersorte an. Ich beobachte in der Nahrungsmittelherstellung schon beträchtliche Schritte in Richtung Gesundheit und denke, dass wir da auf einem guten Weg sind. Es wird sicherlich immer beides geben. Gesunde und ungesunde Nahrungsmittel. Der Bürger entscheidet mit, was auf dem Markt verkauft wird, auch wenn das vielen vielleicht nicht bewusst sein mag.

• Müsste auf der politischen Ebene mehr gemacht werden in Bezug auf die Prävention?
Ich denke, dass die Politik in dieser Hinsicht schon einiges bewirkt. Voraussetzung ist aber auch, dass die Bürger eine Umstellung wollen, da sie Gewohnheiten loslassen müssten und höhere Kosten anfallen, die letztendlich der Verbraucher trägt. Das sind viele Menschen nicht bereit, auf sich zu nehmen. Oder sie können es aus finanziellen Gründen schlichtweg nicht. Siehe auch Artikel aus der Zeitschrift Oliv 6/21.

• Möchten Sie noch etwas ergänzen, was Sie für die Thematik wichtig finden und bis jetzt noch nicht zur Sprache kam?
Grundsätzlich sollte eine Umstellung in der Lebensweise, egal auf welchem Gebiet, sensibel und individuell betrachtet und behandelt werden. Es sollten keine Dogmen aufgestellt werden, keine Verbote und Vorschriften gemacht werden. Da versperrt sich der Mensch automatisch gegen eine Veränderung. Denn wer lässt sich gerne etwas vorschreiben? Man sollte mit gutem Beispiel vorangehen und alternative Lebensmittel bezahlbar machen. Wäre sehr schön, wenn ein globales Umdenken stattfindet.

Ein herzliches Dankeschön nochmals an Frau Schärli für Ihr Vertrauen.

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